von Ewa Tacke –
Die Umstände der letzen Monate haben unseren Alltag verändert und für viele eine neue Normalität geschaffen.
So bin ich es inzwischen gewohnt vor dem Computer zu Hause zu arbeiten und Mediationen online zu führen. Und es geht. Es geht sogar viel besser als ursprünglich von mir angenommen.
In meiner Ausbildung zur Mediatorin habe ich gelernt, wie wichtig es ist, eine vertrauensvolle und geschützte Atmosphäre für die Streitparteien in der Mediation sicher zu stellen. Die Praxis zeigt – ohne Vertrauen ist eine lösungsorientierte Zusammenarbeit nur bedingt möglich. Letztendlich werden persönliche Themen besprochen, man öffnet sich und gibt Vertrauliches von sich preis. Also, braucht es den entsprechenden Rahmen, d. h. neutrale Räumlichkeiten mit neutraler Einrichtung, am besten helle Möbel, einen rundem Tisch, dazu ein Flipchart und auf jeden Fall einen zusätzlichen Raum um Medianten gegebenenfalls trennen zu können.
Ich war überzeugt, dass man dieses Vertrauen und diese Atmosphäre in Form einer persönlichen Begegnung effektiver aufbaut und auch die Konfliktthemen besser persönlich bearbeitet. Dass die Nähe den Prozess der Lösungssuche unterstützt und förderlich ist für das gegenseitige Zuhören. Hier hat mir die Praxis gezeigt, dass es auch online gelingt, nicht immer und nicht immer besser, aber in manchen Situationen sogar überraschend gut. Denn einen guten „virtuellen Raum“ für einen lösungsorientierten Austausch kann man Online schaffen und vielfach ist es einfacher zu bewerkstelligen als im realen Raum.
Konfliktlösung am Computer (Bildschirm!/im virtuellen Raum?)
Vor einem halben Jahr hatte mich ein Paar kontaktiert, mit der Bitte sie bei ihrer bereits vereinbarten Trennung zu unterstützen. Das Ziel war ihre Entscheidung umzusetzen und neue Umgangsregeln in Bezug auf das gemeinsame Kind, sowie die finanziellen Einzelheiten zu vereinbaren. Beide hatten persönliche Sitzungen erwartet und sich nach meinem Vorschlag einer Online-Mediation erst mal Bedenkzeit genommen, um zu überlegen, ob sie eine Mediation in diesem Format machen möchten.
Mit mäßiger Begeisterung seitens der Medianten starteten wir durch. Das Paar zusammen vor einem Bildschirm und ich am anderen Ende vor meinem Monitor. Ich gebe zu, es hat eine Sitzung gebraucht, um die negative Einstellung gegenüber der virtuellen Mediationssitzung zu neutralisieren. Für die zweite Session wurde vereinbart, dass jeder einzeln vor seinem Rechner in unterschiedlichen Räumen arbeitet. Zum Glück war es möglich. Er saß in seinem Büro zu Hause und sie in der Wohnung einer Freundin. Wie so oft, die ursprünglichen Themen der Medianten waren nicht unbedingt die Themen der späteren Mediation. Aus der sachbezogenen Mediation wurde ein emotionaler Austausch mit tiefgründigen Debatten über Erwartungen und Wünsche. Wie mir beide später versichert haben, half ihnen die körperliche Distanz viele Themen sogar offener anzusprechen. Die Angst vor einer direkten Konfrontation, die der Grund dafür war, ihre Trennung immer wieder aufzuschieben, löste sich auf. Jeder war sehr bedacht eigene Argumente vorsichtig, aber klar zu formulieren. Beide haben sich sicherer gefühlt, die eigenen Bedürfnisse zu (er)fassen und zu benennen und in die Zukunft zu schauen, statt die Vergangenheit aufzuarbeiten. Es war ein effektiver Austausch mit kürzeren, dafür regelmäßigeren Sitzungen mit einfacher terminlicher Koordination, ohne Anfahrt und mit viel Zeit Ersparnis.
Mein Fazit
Für Menschen, die vielleicht noch unsicher sind, ob sie sich auf eine Mediation einlassen möchten, stellt die Online-Version eine gute Einstiegsmöglichkeit dar.
Für Streitthemen mit einem hohen Eskalationspotenzial ist die virtuelle Konfliktbearbeitung eine besonders passende Alternative. Ob online Mediation aber alle Themen bedienen kann, werden wir erst mit der Zeit erfahren. Hier sind die Meinungen geteilt und in der Tat ist z.B. bei einer Wiedergutmachung oder Entschuldigung gerade eine persönliche Begegnung wünschenswert.
Eine besondere Herausforderung der audiovisuellen Übertragung ist die beschränkte Möglichkeit für die Mediatoren, non-verbale Signale zwischen den Beteiligten abzulesen. Aber Augen und Mimik und die Position zur Kamera sprechen oft schon Bände.
Eine vertraute Atmosphäre kann online sehr gut aufgebaut werden, denn Gefühle, Empathie und Wertschätzung, so wie die gefühlte Nähe, gehen auch über andere Kanäle. Erinnern wir uns nur an die alten Zeiten des Briefeschreibens.
In den eigenen vier Wänden fühlt man sich meistens sicher und geborgen. Somit wäre auch der geschützte Raum gegeben. Mit entsprechenden Kommunikationsmaßnahmen und der zur Verfügung stehenden Technik der audiovisuellen Übertragung (Einzelsitzungen über Breakout-Räume, Datenschutz über Verschlüsselung, etc.) kann ein konstruktives Gespräch stattfinden.
Definitiv ist Online-Mediation flexibler und kostengünstiger. Kurzfristige Termine oder auch spontane Einzelsitzungen sind einfacher zu organisieren. Trotzdem bleibt die Online-Mediation für manche Medianten und Mediatoren eher eine Zwischen- oder Notlösung. Für andere sind vielleicht hybride Formen mit einer Mischung aus Präsenzsitzungen und Online-Begegnungen ein guter Weg. Wieder andere Mediatoren werden sich auf Online-Mediation spezialisieren. Und das ist gut so. Denn die Mediation richtet sich nach den Bedürfnissen der Beteiligten und ist so vielfältig wie ihre Streitparteien und Konfliktthemen.
Vorteile einer Online-Mediation
- spart Reisezeiten und -kosten für alle Beteiligten
- erleichtert die terminliche Koordination
- Sitzungen tendieren dazu kürzer und effektiver zu sein, weil man sich auf das Wesentliche konzentriert
- hilft unsicheren Parteien die eigenen Erwartungen aus einem für sie sicheren Raum heraus zu formulieren
- beugt körperlichem Drohpotenzial und erhöht so den Sicherheitsfaktor
- mindert das Risiko einer Eskalation
- erweiterte Gesprächsteuerung durch die Möglichkeiten einer Videokonferenz